Wie verstehe ich mein Kind?
Wir kennen unsere Kinder und doch verstehen wir nicht immer, was sie zu einem bestimmten Verhalten veranlasst. Eigentlich gehen sie gerne in die Kita und doch erklären wir morgens immer wieder aufs Neue, warum es jetzt Zeit für die Kita ist. Oder sie freuen sich aufs Kicken, um dann wenig später lustlos am Rand des Trainings ihrer Fußballmannschaft rumzudümpeln. Dieses widersprüchliche Verhalten macht uns ratlos und auch die Frage «Warum machst du das?» sorgt in den allermeisten Fällen nicht für die gewünschte Erkenntnis.
Geht es dir auch so? Gibt dir das Verhalten deines Kindes auch manchmal Rätsel auf, die du nicht verstehst?
Die Frage nach dem Warum ist oft eine Sackgasse
Die Frage nach dem Warum ist eine unglaublich komplexe Frage. Komplex deshalb, weil für ihre Beantwortung die jeweilige Situation in ihrer Vielschichtigkeit wahrgenommen und reflektiert werden muss. Welche Gefühle und Gedanken habe ich? Was beabsichtige ich mit meinem Verhalten bzw. was möchte ich erreichen? Wie erlebe ich mein Gegenüber bzw. andere Menschen in dieser Situation? Das überfordert Kinder und macht sie sprachlos. Was also hilft einem weiter, wenn man verstehen will, warum ein Kind sich so verhält?
5 Tipps, die dir helfen dein Kind zu verstehen
#1 Fragen stellen, die das Kind mit ja / nein beantworten kann
Kennst du das Suchspiel «Heiß und kalt», bei dem man versucht einen Gegenstand im Raum zu erraten? Dabei signalisiert «warm» die Annäherung an den Gegenstand, «wärmer», die immer dichter werdende Annäherung und «heiß», dass sich der Gegenstand ganz in der Nähe des Mitspielers befindet. Taste dich in ähnlicher Weise mit deiner Fragestellung vor. Gehe dabei von dem Offensichtlichen, meist der Emotion, die du wahrnimmst, aus und stelle die Fragen so, dass dein Kind sie bestenfalls mit «ja» beantworten kann. So kannst du nicht nur herausfinden, was dein Kind zu diesem Verhalten veranlasst, sondern du vermittelst deinem Kind mit jedem «ja», dass du es ernst nimmst und es verstehst bzw. verstehen willst.
#2 Zeit lassen und in Ruhe nachdenken
So schön es ist, bereits in der Situation selbst ein Verständnis für die Beweggründe deines Kindes zu erlangen, so ist das nicht immer der Fall. Manchmal ergibt sich nicht sofort ein Erklärungsansatz … weil man nicht drauf kommt, weil in diesem Moment auch keine Zeit für einen Austausch dazu ist oder weil die Vielschichtigkeit der Situation vielleicht auch ein Zurücktreten und Nachdenken außerhalb der Situation verlangt. Dann ist die Erkenntnis das Ergebnis eines (längeren) Prozesses. Setzt dich daher nicht unter Druck … Stress blockiert bzw. beschleunigt vorhandene Muster. Denken und neue Ideen kommen uns nur in der Ruhe.
#3 Vergleiche schaffen Erkenntnisse
Gleiches gilt für dein Kind. Ist es mit einer Situation überfordert, kann es ihm helfen, wenn es für eine Weile nicht mit Umständen konfrontiert wird, für die es keinen geeigneten Lösungsansatz hat. Beobachte sein Verhalten in anderen Situationen. Was verändert sich bzw. was ist anders? Was bleibt gleich? Vielleicht beobachtest du Parallelen oder Unterschiede und findest so zu einem Erklärungsansatz.
#4 Hinter jedem Verhalten steht ein Bedürfnis
Ein Verhalten ist nichts anderes, als eine erlernte und bisher mehr oder weniger gut funktionierende Strategie, um ein bestimmtes Bedürfnis zu erfüllen. Jeder Mensch eignet sich im Laufe seines Lebens verschiedene Strategien an … durch ausprobieren oder indem er sich die Strategie bei einem anderen abschaut und für nachahmenswert findet. Versuche also hinter das Verhalten deines Kindes zu schauen. Was möchte es mit seinem Verhalten erreichen? Oder was möchte es mit seinem Verhalten vermeiden?
#5 Situation aus der Perspektive des Kindes betrachten
Versuche in deinen Überlegungen die Situation aus der Sicht des Kindes zu sehen. Folgend Fragen können dir bei diesem Perspektivwechsel helfen:
- Wie geht es ihm in dieser Situation? Welches Gefühl nehme ich wahr?
- Was ist ihm dabei wichtig? Welches Bedürfnis hat es?
- Was möchte es versuchen, mit diesem Verhalten zu erreichen? Welche Absicht hat es? Welches Ziel verfolgt es?
Einen Erklärungsansatz für das Verhalten deines Kindes zu finden, wird die Situation nicht lösen. Doch es ist ein entscheidender Punkt auf dem Weg zur Lösung. Und was noch viel wichtiger ist: dein Kind erlebt, dass du es ernst nimmst und dass seine Bedürfnisse wichtig sind. Indem du gemeinsam mit ihm versuchst, die Gründe für das eigene Verhalten herauszufinden bietest du ihm ein Modell für die Reflexion des eigenen Verhaltens. Irgendwann wird es das nicht nur alleine tun können, sondern mit dieser Fähigkeit auf andere, vielfältigere, bessere und vielleicht auch sozialverträglichere Strategien für seine Bedürfnisse entwickeln können.
Nutze die Tipps also nicht nur für dich und dein Verständnis, sondern vermittle deinem Kind dadurch, wie es sich selbst reflektieren kann. Mit diesem Erkenntnisgewinn wird es gute und gelingende Strategien für sich und seine Bedürfnisse finden können.
Deine