Der/die Beste sein wollen
Kinder

Der / die Beste sein wollen – Ist das gut für Kinder?

Irgendwann, meist mit dem Schulalter beginnen Kinder ihr Spiel um die Komponente Wettstreit zu erweitern. Während es bisher vollkommen ausreichend erschien, sich auszuprobieren oder in Rollenspielen so zu tun «als ob» man jemand bestimmtes wäre, suchen Kinder zunehmend den Vergleich zu anderen, messen sich mit ihnen und versuchen u.a. besser als sie zu sein. Doch ist das erstrebenswert, der oder die Beste sein zu wollen? Ist es förderlich für die kindliche Entwicklung, wenn sich Kinder mit anderen messen?

Wettstreit als Entwicklungsthema

In der Beobachtung des kindlichen Wettstreit oder in ihren Schilderungen wird schnell deutlich, dass Kinder dies aus einer eigenen Motivation heraus tun. Kindern ist es ungemein wichtig zu sehen, wie sie wachsen, d.h. wie sie größer, stärker, schneller werden und über zunehmende Fähigkeiten verfügen. Nun im Grundschulalter ist ihr Blick nicht mehr nur auf sich selbst und das, was sie bei sich an Entwicklung wahrnehmen, gerichtet, sondern auch auf andere. Sie suchen von sich aus den Vergleich und damit den Wettbewerb mit ihnen; probieren aus, wer mehr Kraft hat, schneller ist oder in diesem und jenem gut ist. Dadurch erhalten sie Feedbacks darüber, wo sie im Vergleich zu anderen stehen. Sie können so herausfinden, welche Rolle sie in der jeweiligen Gruppe haben. Sie können eine Antwort auf die Frage «Wer bin ich?» finden und dadurch ein Bild von sich selbst entwickeln. Der Vergleich mit anderen ist identitätsstiftend.

Spannungsbogen zwischen Erfolg und Misserfolg

Der Vergleich mit anderen birgt – wie eine Medaille – zwei Seiten. Er gibt sowohl Aufschluss darüber, was jemand kann, als auch darüber, was jemand nicht oder nicht so gut kann. Und so bewegen sich Kinder beim Vergleich miteinander im Spannungsbogen zwischen Erfolg und Misserfolg.

Im Wettstreit gut oder sogar der bzw. die Beste zu sein schafft ein gutes Gefühl. Es bestärkt einen und pusht das Selbstbewusstsein. Nicht mithalten zu können verursacht hingegen Frust, Ärger und manchmal auch das Gefühl sich ausgegrenzt oder gar abgelehnt zu fühlen. Doch die Auseinandersetzung mit dem Problem des Scheiterns oder Verlierens – etwas, das im Vergleich zum Erfolg viel häufiger passiert und eine Erfahrung ist, die zum Leben dazugehört – ist für die Entwicklung und Leistungsfähigkeit unglaublich wichtig. Kinder müssen Antworten auf Fragen «Wie gehe ich damit um, wenn …

  • … ich etwas nicht kann?
  • … andere besser sind?
  • … mir etwas schwer fällt, ich es versuche und es dennoch nicht (gleich) schaffe?»,

finden und damit Strategien entwickeln, wie sie mit erlebten Rückschlägen umgehen. Neben den so entstehenden Lösungsstrategien, erlernen Kindern auch «dran zu bleiben» indem sie Ausdauer und Durchhaltevermögen entwickeln.

Das Erleben eigener Niederlagen oder Misserfolge ermöglicht Kindern in Situationen, in denen sie zu den Starken gehören, Empathie für Schwächere zu entwickeln. Insbesondere der Sport bietet hier ein gutes Lernfeld. Man übt, trainiert, strengt sich an und manchmal hat man dabei Erfolg und manchmal eben nicht. Die Trainier*innen, die Regeln des Fairplays und das Verhalten älterer Sportler oder Mitspieler bieten Kindern Modelle für den Umgang mit Erfolgen und Misserfolgen. Und bei Mannschaftssportarten tut man dies nicht alleine, sondern gemeinsam … man verliert und gewinnt gemeinsam.

Auch entwickeln Kinder auf diese Weise eine Widerstandskraft gegen Anforderungen von außen, die sie nicht erfüllen können. Sie lernen, wie sie damit umgehen können, wenn jemand was von ihnen verlangt, das sie nicht gut können.

Keiner kann alles

Wir haben Stärken und Schwächen. Diese Erkenntnis resultiert ebenfalls aus dem Vergleich mit anderen. Kinder erleben, dass sie mal gut, vielleicht sogar deutlich besser als andere und mal nicht so gut sind. Umgekehrt können sie dies auch bei anderen Kindern beobachten. Diese Feststellung relativiert nicht nur den eigenen Erfolg und Misserfolg, sondern führt auch dazu, dass Kinder ein Selbstbild entwickeln, welches das Wissen um die eigenen Stärken und Schwächen vereint. Auch lernen sie mit den wahrgenommenen Fähigkeiten und Defiziten umzugehen. Akzeptiere ich eine Schwäche oder versuche ich – wenn es mir wichtig genug ist – daran zu arbeiten? Für beides ist die Erfahrung des Erfolgs bzw. das Wissen um eigene Stärken förderlich. Die Akzeptanz einer Schwäche gelingt leichter, wenn man weiß, dass es da etwas gibt, worin man gut ist. Ebenso gelingt die Auseinandersetzung mit der einer Schwäche leichter, wenn man schon mal was geschafft oder bewältigt hat.

Kinder entscheiden selbst, mit wem sie sich messen möchten. Die einen Kinder suchen sich ganz gezielt eher ältere Kinder zum Vergleich, andere suchen den Vergleich eher mit Gleichaltrigen oder jüngeren Kindern. Auch suchen Kinder meist in Bereichen, von denen sie bereits wissen, dass sie über bestimmte Fähigkeiten oder Fertigkeiten verfügen, den Wettstreit mit anderen. Fühlt sich ein Kind beispielsweise bei etwas sicher, sucht es vielleicht ganz bewusst den Vergleich mit älteren. In Bereichen, in denen es hingegen noch etwas unsicher ist, tendiert es vermutlich zur Komfortzone, die ihm die Aktivität mit Gleichaltrigen oder jüngeren bietet.

Wie kannst du dein Kind dabei unterstützen

Eltern können und sollen ihr Kind darin unterstützen, dass es gut, in manchen Dingen vielleicht sogar der oder die Beste sein will. Doch dein Fokus sollte nicht auf der Leistung im Vergleich, sondern auf der individuellen Leistung deines Kindes liegen. Würdige die Anstrengung deines Kindes … auch bei Misserfolgen. Sag ihm / ihr z.B. «Ich habe gesehen, dass du dich voll angestrengt und alles gegeben hast. Das war voll gut!»
Unterstütze es auch darin, sein Scheitern und sein Misslingen zu akzeptieren, indem du bei Frust möglichen Druck raus nimmst und ihm / ihr Zuversicht vermittelst. Etwas jetzt nicht zu können, heißt nicht, es nie zu können.

Der oder die Beste sein wollen – Socialitas am Mikro

So wichtig wie der Wettstreit als Entwicklungsthema für Kinder ist, so wichtig ist auch die relative Betrachtungsweise von Erfolg und Misserfolg. Und noch viel besser als die Fraße «Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen» aus der Audio beschrieb dies ein Skifahrer bei den Olympischen Spielen:

«Man verliert öfters, als man gewinnt … außer vielleicht die Bayern»

Linus Strasser

Deine

Socialitas

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